Guten Morgen liebe Friedaleser,
es ist so weit, mein letzter Tag in Kilkenny ist angebrochen. Und er fing auch gleich gut an, habe ich doch vor gut einer Stunde endlich meinen so lang ersehnten Brief bekommen. Somit ist nun die Zeit der finanziellen Improvisation vorbei und ich kann wieder wie ein normaler Mensch des 21. Jahrhunderts bequem zum Geldautomaten gehen um meinen Beitrag zur Irischen Wirtschaft abzuheben. Thema erledigt, ist nu aber auch wirklich genug damit.
Bevor ich auf meine zwiespältigen Gedanken meinen letzten Tag in dieser wunderschönen Stadt betreffend eingehe, möchte ich euch noch von der letzten Woche erzählen. Obwohl diese von dem bereits im Überfluss kommentierten Problem finanziell etwas gehemmt war, so war sie doch auch eine weitere schöne Woche in Kilkenny, aus der drei Ereignisse heraus ragten: 1. Der furzende Texaner, 2. Das Leid mit der zu kleinen Gitarre und 3. mein Abschied vom Hole in the Wall.
1. Der furzende Texaner
Sein Name war Bill. Ich persönlich kam äußerst gut mit ihm klar, verband uns doch eine ausgeprägte Liebe zur Musik, großenteils sogar mit deutlichen Geschmacksparallelen. So verbrachten wir doch einige Stunden damit uns von unseren Konzerterlebnissen zu berichten, die das Gegenüber durchaus mit anerkennendem Neid erfüllen konnten. Weiter war er auch durchaus von meiner Sangeskunst angetan – was mir natürlich schmeichelte – besonders meine Interpretation von ‚Wild Mountain Thyme‘ hat es ihm angetan. Man traf ihn eigentlich nicht mehr ohne dieses wunderschöne Lied auf den Lippen, welches ich selbst erst kürzlich zu meinem Repertoir hinzugefügt habe – Liebelein sei Dank (Nein, keine Liebschaft, Liebelein weiß schon wen ich mein). Also wie gesagt, ICH kam wunderbar mit Bill aus… dass dies bei anderen Menschen schwieriger sein könnte dachte ich mir schon, als Bill mir energisch versuchte zu erklären, dass die Iren ein feindseeliges Volk seien, was ich weder verstehen, noch bestätigen kann, ganz im Gegenteil! Jedenfalls wollte er mir dies anhand des Beispiels vermitteln, dass permanent Iren in ihn hinein liefen auf der Straße, absichtlich. Meinen Einwand, dass zu einer Kollision zwei gehören, wollte er, oder konnte er schlicht nicht verstehen: ‚But I was walking there?!?‘
Er hatte es des Weiteren auch nicht so sehr mit europäischem Humor; Auftritt Hamilton, der winzige spanische Leprechaun. Dieser hatte eine riesen Freude Bill zu nerven und tat dies auch ausgiebig. So stellte er sich grundsätzlich zwischen Bill und seine Geprächspartnerinnen, was ersteren zur Weißglut brachte. So kam es denn auch dazu, dass Bill sich bei mir über meinen Kollegen entrüstete. Nach einer recht ausführlichen Erläuterung des der hamiltonschen Aktion zugrundeliegenden Humors – den Bill auch wieder feindseelig fand – sann unser Texaner nun auf Rache. Sein Plan fiel recht amerikanisch aus, geprägt von jener Art stumpfen Fäkalhumor, der uns die Filme der American Pie Serie bescheerte. An seinem letzten Tag lauerte Bill auf jede Gelegenheit sich an Hamilton heran zu schleichen. Gelang ihm dies, bevorzugt wenn unser Spanier saß, oder lag, so furzte er seinem Opfer herzhaft ins Gesicht. Ich weiß nicht wie es euch beim Lesen und Vorstellen geht, ich jedenfalls hatte an diesem Tag einen Lachkrampf nach dem anderen!
2. Das Leid mit der zu kleinen Gitarre
Ein besonders lieber Gast der vergangenen Woche war Claire aus Canada. Immer gut gelaunt, immer gesprächig, ein wahrer Sonnenschein. Die gute Claire nun hatte eine kleine Reisegitarre bei sich, hatte sie doch vor einem halben Jahr daheim mit Gitarrenstunden angefangen und wollte in Europa nicht einrosten. Die Gitarre – eine 3/4 Kindergitarre – hatte sie sich günstig hier gekauft. Da Kilkenny eine ihrer letzten Stationen in Europa sein sollte, stellte sich ihr nun die Frage, was mit der Gitarre anfangen? Das „gute“ Stück im Gepäck aufzugeben hätte den Wert des Instruments doch überstiegen. Und nun nahm das Verhängnis seinen Läuf… Sie schenkte die Gitarre unserem Virtuosen Hamilton – eine kleine Gitarre für einen kleinen Mann. Dieser hatte mich zu Beginn meines Aufenthalts gefragt, ob man mit Gitarrenspiel wirklich die Damenwelt beeindrucken kann. Dass ich diese Frage bejat habe, das hat er sich leider gemerkt.
Mit einem beachtlichen Eifer machte er sich nun also auf ein Gitarrist zu werden. Diese Waffe in seinem Arsenal zur Eroberung der Damenwelt konnte er sich nicht entgehen lassen, sollte sie doch nun endlich ein Ausgleich zu seiner vertikalen Benachteiligung sein! Sein Verständnis vom Gitarrenspiel vermittelte ihm jedoch leider, dass es vollkommen ausreicht, wenn man mit der einen Hand irgendwas auf dem Griffbrett drückt und mit der anderen auf die Saiten einschlägt. Dazu immer wieder „Ooooh Mamacitaaaaa“ singen, das schien ihm zu reichen. Mehr zu lernen, gar etwas richtiges zu lernen, oder vielleicht sogar die Gitarre zu stimmen, vollkommen überflüssig! Seit Montag heißt es also für mehrere Stunden täglich „Oooooooh Mamacitaaaaaa“… Ich werde Hamilton vermissen, seine Gitarre jedoch bestimmt nicht…
3. Mein Abschied vom Hole in the Wall
Es war Donnerstag Abend und es sollte für’s erste mein letzter im Hole in the Wall sein, welches sich im letzten Monat zu meinem heimlichen Wohnzimmer gemausert hat. Auf dem Programm stand ein Singspiel zum Thema ‚alte Töne und Klänge‘. Mike führte durch den Abend, mit Vorträgen von Dolmen, High Crosses und Travelers – das irische Gegenstück zu Zigeunern und ebenso politisch unkorrekt. Diese Vorträge wurde untermalt und begleitet von Musikalischen Beiträgen. Im ersten Teil begeisterte Gabby mit seinem percussiven Spiel auf ausgewählten Steinen.
(entschuldigt bitte die schlechte Bildqualität)
Im zweiten Teil lag der Fokus auf alter Sprache, wobei musikalisch nun Pete MacGowan und ich am Zuge waren. Pete sang eine Ballade von Steinmetzgesellen. Ich bot drei Lieder in irischer Sprache dar, ohne auch nur ein Wort Irisch zu sprechen – ich übernehme hier die Art der Iren, die selbst nicht von Gälisch sprechen, sondern eben von Irisch. Diese haben Mike und ich einige Tage zuvor erarbeitet. Die Erfahrung war äußerst ungewohnt, jedoch unglaublich bereichernd. Dem Publikum schien es zu gefallen. Eingerahmt wurden unsere Lieder von Andreas Vogel, in diesem Block mein deutscher Gegenpart. Andreas lebt seit vielen Jahren in Connemara und schreibt Lyrik in irischer Sprache. Ich war von seiner Kunst schlicht hin und weg. So ruhig und präzise war sein Vortrag, dass ich trotz Sprachbarriere einiges verstehen konnte.
Der dritte Teil beschäftigte sich schließlich damit, wie die Sprache und die Lieder, die wir im zweiten Teil behandelten, auf Reisen gingen. Pete bot mit ‚Traveling Man‘ einen wunderbaren Einstieg. Ihm folgte Matt mit seiner Whistle. Ich hatte bei diesen Liedern einfach nur Gänsehaut! Was man aus einem solch einfachem Instrument mit Können und Kunst doch heraus holen kann! Nach diesen beiden Künstlern war es an mir den Abend abzuschließen. Dies tat ich mit meinen ‚Five Drunken Men‘, einem meiner eigenen Lieder im Irish Folk Stil. Dem Publikum gefiel es durchaus sehr, was dieser Deutsche da spielte, sodass ich doch den ein oder anderen äußerst schmeichelhaften – und sicherlich übertriebenen – Vergleich mit einigen Ikonen des Irish Folk zu den Schulterklopfern zu hören bekam. Ich hatte einen wundervollen Abend und eins steht für mich jetzt schon fest: Ich werde zurückkehren in das Hole in the Wall!
Überhaupt möchte ich zurückkehren nach Kilkenny, diese Perle des europäischen Kontinents, leicht abseits der Hauptströme des Tourismus. Ich freue mich jetzt schon drauf mit Freunden zurück zu kommen und ihnen diese kleine und äußerst feine Stadt zu zeigen, mit ihrer langen Geschichte, ihrer Musik und ihren freundlichen, herzlichen Menschen. Meine Gefühlslage ist durchaus zwiegespalten. Einerseits bin ich traurig zu gehen, andererseits freue ich mich auf Inis Mór und seine rauhe Schönheit, im Eingang der Galway Bay. Heute Abend werden wir im MacGabhainns zusammen in der Küche sitzen, gut essen – Cindy sei dank – und trinken, erzählen, lachen und ein wenig wehmütig werden. Heute Abend nehme ich Abschied von Kilkenny, von Mike, Yuka, Hamilton, Simone, Ray, Sarah, Saidie, Cindy, Fergus, Tilda und Sunny. Aber es wird heißen ‚Auf Wiedersehen‘, nicht ‚Leb wohl‘.